Pirna 10.06.2016
KARUSSELL 10.06.16 Kleinkunstbühne Q 24 Pirna
von Kundi
Es gibt Lieder, die begleiten uns das ganze Leben lang. Vielleicht tauchen sie in den Gedanken auch mal ein paar Monate ab, doch ein kleiner Erinnerungsfunke in Form eines Bildes, eines Tones oder eines Geräusches genügt, dass der entsprechende Song wieder präsent in uns ist. Bei solchen Liedern, die wir mit unserem Leben, mit dem Werden und Wachsen, mit Ereignissen, Menschen und Geschichten in unserer Erinnerung verbinden, verwenden ich bzw. wir auch gerne mal die Bezeichnung vom Soundtrack unseres Lebens. Ich denke, dass es die Sache so am besten beschreibt.
In unseren biologischen Gedankenspeichern namens Gehirn, sind möglicherweise hunderte solcher Songs mit unseren Lebenserinnerungen, Bildern und Gefühlen verknüpft und sie warten nur darauf abgerufen zu werden. Manchmal genügen ein paar Anfangstöne und schon beginnt sich das Gedankenkarussell zu drehen.
Ich stelle mal die These auf, dass „Als ich fortging“ für viele Menschen eine ganz spezielle Bedeutung hat. Dabei stütze ich mich auf meine Beobachtungen bei vielen KARUSSELL-Konzerten. Wenn dort das Intro erklingt, die Musiker nach und nach die Bühne betreten und dann die instrumentale Version von diesem Hit anspielen, geht immer ein Raunen des Erkennens durch die Besucherreihen. Paare schauen sich kurz und lächelnd in die Augen, als wollten sie ihren Lebenspartner fragen, weißt Du noch damals Ende der 80er Jahre auf der Gartenbank vor der Laube im Garten deiner Eltern hast du mich das erste Mal geküsst und im Radio lief dazu dieses Lied. Ich finde solche Gedankenspiele gar nicht so weit hergeholt. Doch an dieser Stelle möchte ich es für heute damit belassen, aber diese Sätze haben mir den Einstieg in diesen Kurzbericht erleichtert.
Es geht hier, wie auch unschwer an der Themenüberschrift zu erkennen ist, um das Gastspiel der Gruppe KARUSSELL am 10.Juni in der Kleinkunstbühne Q 24 zu Pirna. Wer den Laden kennt, weiß dass es sich hierbei um eine ganz kleine Spielstätte handelt, die gerade mal ca. 200 Gästen Platz bietet.
Es stand also so eine Art Clubkonzert mit den KARUSSELLern in fast familiärer Atmosphäre an. Die Musiker der band und die Besucher würden sich nahezu hautnah, praktisch Auge in Auge gegenüber stehen. Solche Muggen haben immer ihren besonderen Reiz und das für die Personen an beiden Seiten des Bühnenrandes. Aus Gesprächen ist mir zudem bekannt, dass die Musiker solche Auftritte durchaus mögen. Also fuhr ich zum zweiten Mal an diesem Tag am frühen Abend nach Pirna.
Der Kartenkauf an der Abendkasse gestaltete sich problemlos, das Q 24 war ganz gut besucht, aber nicht ausverkauft. das konnte auch daran liegen, dass an diesem Abend die Fußball-Europameisterschaft begann und deshalb viele Fußballinteressierte lieber daheim geblieben sind statt dieses Konzert zu besuchen. Dass die Räumlichkeiten zur Mugge nicht brechend voll waren, sollte sich aus meiner Sicht dann aber als Vorteil herausstellen. Ein paar liebe und vertraute Gesichter konnte ich in der ersten Reihe entdecken und mit ihnen wurde das Warten auf KARUSSELL auch nicht zu lang. Wir Muggenpilger, Konzertnomaden und Konzertgänger haben uns bei unseren Begegnungen immer etwas zu erzählen und dabei verfliegt die Zeit von alleine.
Bevor KARUSSELL die Bühne enterte, lief zum Aufwärmen für das Konzert und um bei den Besuchern vielleicht auch einen Kaufreiz auszulösen ein ca. 40 – 45 minütiger Ausschnitt von der DVD „Ehrlich will ich bleiben: Die Band und ihre Geschichte (40 Jahre KARUSSELL)“. Da wurden wieder Erinnerungen wach und auch wenn sich hier und da bei den Jahreszahlen kleine Fehler eingeschlichen haben, ist die gesamte DVD wirklich eine spektakuläre visualisierte Zeitreise durch 40 Jahre KARUSSELL. Ich habe mir so eine Geschichtslektion in Sachen KARUSSELL immer gewünscht und ich wurde von der DVD auch nicht enttäuscht. 40 Jahre sind ein ganz schön großes Stück Leben und 40 Jahre KARUSSELL sind demzufolge auch ein gehöriges Stück Band-Leben. Diese Zeitreise führt uns „alten Säcke“ der Silberrücken-Generation 50+ ja auch zurück in die Tiefen der eigenen Vergangenheit.
Es lohnt sich schon wegen der selten gezeigten TV-Mitschnitte von KARUSSELL-Auftritten in den verschiedenen Bandbesetzungen diese DVD zu erwerben. Natürlich muss man bei den einen oder anderen Videoclips / Konzertmitschnitten zwangsläufig auch mal lächeln, denn die Mode, das Aussehen der Musiker und auch der Stand der Bühnen-/Fernsehtechnik war in den 70er oder 80er Jahren ein anderer als heute. Trotzdem gibt es auf dieser Silberscheibe für den Betrachter auch sehr nachdenkliche Momente, denn es sind natürlich auch Aufnahmen mit den beiden leider bereits verstorbenen Ex-Karussell-Mitgliedern Peter „Cäsar“ Gläser und Claus Winter zu sehen. 20 Euro für diese DVD sind ausmeiner Sicht gut angelegtes Geld.
Nach einer kurzen Umbaupause und ein paar von einem Vereinsmitglied des Q 24 vorgetragenen Veranstaltungstipps konnte es endlich mit meiner nächsten KARUSSELL-Drehung (es war meine dritte im laufenden Kalenderjahr) abgehen. Die Bühne des Q 24 war für die 6 Männer und für die Technik fast zu klein, aber letztendlich richteten sich Wolf, Joe, Oschek, Jan, Hans und Benno bestmöglich ein. Die Jungs sind ja erfahren genug und sie haben an solchen Geschichten ja auch ihre Freude.
Wolf-Rüdiger Raschke, der KARUSSELL-Leit-Wolf, war diesmal der erste Musiker auf der Bühne. Seine Kollegen folgten und selbstverständlich kam es im Publikum beim Erkennen der „Als ich fortging“-Melodie zu dem weiter oben beschriebenen Raunen des Erkennens, zu glänzenden Augen und zum verstehenden Blickeaustausch zwischen langjährigen lebenspartnerinnen und -partnern.
Wie gestaltet eine Band, die mit der Tour 2016/2017 groß ihr 40 jähriges Bestehen feiern möchte ihr aktuelles Konzertprogramm? Genau so wie es KARUSSELL derzeit tut. Die Band spielt die größten Hits der Bandgeschichte, verzichtet dabei aber auch nicht auf aktuelleres Material vom bislang zuletzt erschienen Studioalbum („Loslassen“).
Es ist schon recht eindrucksvoll, was die Leipziger Band in ihrer Karriere so an bleibenden, wertvollen und wiedererkennbaren Songs geschaffen hat. Alle Hits konnte KARUSSELL gar nicht in die Setlist aufnehmen. Aber selbstverständlich gab es die ganz großen und wichtigen Lieder wie „Ehrlich will ich bleiben“, „Entweder oder“, „Doch wenn die Hähne krähn“ und die lösten naturgemäß im Publikum Begeisterung aus. Es sind Lieder die vor Jahrzehnten entstanden, die offen und ehrlich sind und die heute immer noch ihre Berechtigung und Aussagekraft haben. KARUSSELL stand und steht für außergewöhnliche, handgemachte und ehrliche Rockmusik. Heute wissen wir, dass die Lieder zeitlos sind.
Obwohl ich mal sagen bzw. schreiben möchte, dass die Stimmung bei diesem Club-Gig besonders gut war. Band und die Horde vor der Bühne fanden sehr schnell den gemeinsamen Nenner. Begeisterung und Mitmachen von der ersten Konzert- bis zur allerletzten Zugabensekunde war angesagt. Der Schweiß floss bei allen in Strömen und hier zeigte sich dann auch, dass es ein Vorteil war, in einem nicht ganz ausverkauften Saal zu stehen. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie heiß es geworden wäre, wenn wir Besucher uns von der ersten bis zur letzten Reihe gegenseitig fast auf den Zehen gestanden hätten.
Böse Stimmen behaupten ja, dass Beamtenschweiß die seltenste Flüssigkeit der Welt ist, aber auch mein Shirt war am Ende durchgeschwitzt. Den Musikern ging es da nicht besser, auch sie transpirierten stark. das Q 24 verwandelte sich von Lied zu Lied immer mehr in eine kleine Sauna, obwohl keiner für einen Aufguss auf heiße Kohle sorgte. Alleine die Leistungen der Bandmusiker, ihre Lieder und die Zuhörer heizten den Raum so auf.
Tourmanager Jan Hendrich sorgte aber mehrmals während der Show für Nachschub an Kaltgetränken auf der Bühne und so wurde ein Dehydrieren der Protagonisten auch umsichtig verhindert. Im Publikum war natürlich jeder für sich selbst verantwortlich.
Wer Peter „Cäsar“ Gläser ehren möchte, spielt meiner Meinung nach am besten seine Lieder. Die KARUSSELLer tun das und sie vergessen auch nie in ihren Ansagen zu solchen Songs an ihn zu erinnern. Auch dafür bin ich den Jungs dankbar. Warum sollte das in Pirna auch anders gewesen sein? Das war es natürlich nicht. Welches Lied ist dafür eigentlich am besten geeignet? Natürlich „Wer die Rose ehrt“. Die großartige Ballade ist eine zeitlose Hymne der Menschlichkeit. Komponist Cäsar und Texter Kurt Demmler haben sich damit ein musikalisches Denkmal geschaffen, das seinesgleichen sucht. Schon seit Jahren berührt mich dieses Lied besonders, weil es mich auch an Vergänglichkeit von lieben Menschen und das Vergängliche überhaupt erinnert. Es sind immer die einsamsten Minuten bei den KARUSSELL-Drehungen für mich. Die Einsamkeit ist sicher selbst gewählt, eine ruhige Ecke zum Anlehnen findet sich in jeden Saal. Irgendwie tun mit diese Augenblicke auch gut. Natürlich würde sich auch „Besinnung“ sehr gut dazu eignen, aber bei mir ist es nun mal die „Rose“ geworden.
„Gelber Mond“ und “ Lieb Ein Mädchen“ in der wunderschönen A-Capella-Version aus dem Jahr 2010 schlugen für mich den Erinnerungsbogen noch mal zu Peter „Cäsar“ Gläser und zu Claus Winter. Der Anfangsverdacht, dass dieses Konzert besonders gut werden würde, hat sich für mich am Ende wieder bestätigt. Petra prägte für Konzerte im kleineren Rahmen mal die leicht zu verstehende Losung „Dorfmuggen sind die schönsten Muggen“. Irgendwie hat sie Recht. Das trifft hier voll zu. Auch wenn Pirna, ganz genau genommen, kein Dorf ist.
Natürlich zeigten sich die KARUSSELLer nach einer kurzen Verschnaufpause noch offen für Autogrammwünsche und Gespräche mit ihren Bewunderern.
Gruß Kundi