Zöschen 09.07.2016
KARUSSELL 09.07.16 beim Sportfest des SV Zöschen
von Kundi
Wenn es dem Kundi zu wohl ist, dann geht er nicht aufs Eis tanzen, sondern dann fährt er mal wieder zu einer Livedrehung von Karussell. So geschehen wieder am vergangenen Sonnabend. Es war meine vierte musikalische Runde mit Wolf-Rüdiger, Oschek, Joe, Hans, Jan und Benno im laufenden Jahr. Seit dem Comeback-Konzert am 10. Februar 2008 sind wir uns immer wieder an den Bühnenrändern dieser Republik begegnet, manchmal sogar 2 Mal an einem Tag. Bisher sind mehr als 50 Konzertbesuche meinerseits bei den KARUSSELLern seit der Wiederauferstehung der Band zu verzeichnen. Ich habe immer noch Spaß daran und es ist immer wieder eine Riesenfreude für mich die Herren Musikschausteller mit ihrem singenden, klingenden Karussell zu erleben. Weder bei KARUSSELL noch bei mir selbst kann ich da Abnutzungserscheinungen erkennen.
Die Band feiert anno 2016 ihren 40. Geburtstag und fast genau so lange höre ich auch diese Musik. Aber ganz ehrlich, als ich als schüchterner Jüngling KARUSSELL die ersten Male in der Bautzener „Krone“ (offizieller Name war Festsaal des Hotels Stadt Bautzen) live sah, ahnten weder Wolf, Oschek oder Roadie Bemme und ich schon gleich gar nicht, dass wir im Jahr 2016 immer noch bzw. wieder Konzertsäle, Hallen und open air-veranstaltungen unsicher machen würden. Das war, zumindest in meiner damaligen Gedankenwelt, schlicht nicht vorstellbar, dass ich als alter Sack mit Ü 50 noch so agil und rockmusik-vergnügungssüchtig sein würde. Aber keine Sorge, ich breche weitere urzeitliche Gedankenausgrabungen von meiner biologischen Festplatte an dieser Stelle ganz galant ab.
Dass Kundi und sein treuer Gefährte Ceedrik am Sonnabend ins Land der Frühaufsteher reisten, schien Klärchen besonders zu freuen. Na ja, so reichlich sind meine Muggenpilger-, Konzertnomaden- bzw. Konzert-Ausflüge nach Sachsen-Anhalt ja auch nicht gesät. Zöschen hieß das Ziel der Reise und der Ortsname sagte mir mal wieder gar nichts. Aber heute machen uns nicht nur irgendwelche Versuche klug, sondern sehr oft auch die Segnungen des Internets und die neuen Navigationsgeräte. Zöschen war einst eine selbstständige Gemeinde, gehört aber heute als Ortsteil zu Leuna im Saalekreis.
Die Ortschaft liegt zwischen Merseburg und Leipzig. Über die Bundestraße 181 ist Zöschen verkehrsmäßig mit der großen weiten Welt verbunden. Bis zur Bundesautobahn 9 ist es auch nur ein Katzensprung. Von den Segnungen des Schienenverkehrs und davor allem dem regelmäßigen Zugverkehr wurde Zöschen bereits 1998 abgekoppelt. da kann man nicht gerade von Metropole sprechen, aber immerhin wohnen noch ca. 1000 Leute in Zöschen.Ist der Ort auch noch so klein und dem Fahrzeuglenker auch noch so unbekannt, aber eine Umleitung wegen Baumaßnahmen muss mindestens sein. Zum Glück hatte ich vor mir ein Kraftfahrzeug mit netten Mitmenschen, die mich bis zu unserem Ziel, einer Sportplatzanlage, lotsten.
Der örtliche Sportverein SV Zöschen 1912 e. V. feierte am vergangenen Wochenende sein Sportfest und im Rahmen dieser Veranstaltung gab die Gruppe KARUSSELL am Sonnabend ab 21:00 Uhr für Vereinsmitglieder und Gäste ein open air-Konzert. Ca. 200 eingetragene Mitglieder hat der SV Zöschen. Die mitgliederstärkste Abteilung sind die Fußballer mit mehren Mannschaften verschiedener Altersklassen. Die 1.Männermannschaft spielt in der Staffel 1 der Kreisliga des Saalekreises. Weitere Sportarten sind Tischtennis, Volleyball und Gymnastik. Vereinsfarben sind schwarz und weiß. Die ganze Anlage des Sportplatzes machte einen sehr gepflegten Eindruck auf mich. Auch der Besucherandrang, nach meiner Schätzung 250 – 300 Leute, war so schlecht nicht für diesen Ort und für dieses Fest.
Vor der Mugge führte Diana Schell (Moderatorin Radio PSR) noch ein kleines Interview mit Wolf-Rüdiger Raschke. Dabei ging es unter anderem auch im eine bestimmte Fahrzeugmarke und wie es zur Zusammenarbeit von KARUSSELL mit AMZ Leipzig kam. Das machte durchaus Sinn. Die Leipziger Autohaus-Kette eines deutschen Automobilherstellers unterstützt nämlich nicht nur den SV Zöschen, sondern auch die Gruppe KARUSSELL partnerschaftlich zum beiderseitigen Vorteil. Ich testete derweil Kaffee und alkoholfreie Kaltgetränke bis zum Konzertbeginn. Die Versorgungsfrage war gut und auch zu angenehmen Preisen geregelt.
Kurz nach 21:00 Uhr nahm der Bandchef seinen Arbeitsplatz an den Keyboards ein und er spielte die Eingangsmelodie, welche seine Kollegen auf die Bühne rief und die in der Melodie von „Als ich fort ging“ endete. Genau in diesen frühen Augenblicken der Livedrehung hatte die Gruppe KARUSSELL schon wieder den Großteil des Publikums geschickt „angefüttert“ und auf ihre Seite gezogen. Alleine das instrumentale Anspielen von „Als ich fortging“ reichte wieder aus, um die Ohren, Seelen und Herzen der Zuhörer zu öffnen.
So ein Hit ist ja manchmal Segen und Fluch zugleich. Einerseits erkennt man eine Band daran, andererseits sind die Musiker manchmal auch dazu „verdammt“ diesen Song bis an das Ende ihrer musikalischen Tage zu spielen. Ich für meinen teil finde viele ältere KARUSSELL-Lieder um Längen besser und spannender als diese traurige Ballade. Aber das ist bekanntlich Geschmackssache. Ich kann gut damit leben, dass dieses Lied zum Ende des Konzertes hin vollständig von der Band gespielt und von Oschek so wunderbar gesungen wird. Sein Gesang gefällt mit deutlich besser als die Originalvorlage aus dem Jahre 1987.
Bei den KARUSSELL-Konzerten sieht vieles leicht, spielerisch und improvisiert aus. Vieles davon kommt tatsächlich auch aus dem Bauch heraus, aber es sind auch einige Abläufe, Ansagen oder Bewegungen tatsächlich mehr oder weniger auch geplant. Das ist gar nicht schlimm und das fällt in der Regel auch nur den regelmäßigen Konzertbesuchern von KARUSSELL auf. Die Spielfreude und Spiellust der Musiker kann man aber auch immer wieder sichtbar an den Gesichtern, den Hand- und Körperbewegungen ablesen und an den Tönen hören.
KARUSSELL als Band steht unbestritten nicht nur für einige der schönsten Lieder deutschsprachigen Rockszene, sondern auch für einige der wichtigsten Songs. KARUSSELL – das sind für mich eingängige Melodien mit hohem musikalischem Geschick und Texte, die zum Nachdenken anregen. Den Anspruch hatte KARUSSELL immer an sich selbst und den Anspruch hatten auch viele Musikfreunde an Wolf, Oschek und Co. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich viele Songperlen auch als zeitlos herausgestellt. Die Textaussagen passen einfach immer. Wenn man ein Weltbild hat, welches von Humanismus, Ehrlichkeit, Gleichberechtigung, gegenseitiger Achtung, Gerechtigkeitsempfinden und Friedenswillen geprägt ist, findet man sich schnell in den Liedern von KARUSSELL wieder.
Auch das spricht für die Qualität des KARUSSELL-Schaffens.
Stellt euch mal die 6 KARUSSELLer beim Kartenspiel vor. Bildlich gesprochen war auch das Konzert wieder wie ein Kartenspiel und die Musiker hielten dazu alle Trümpfe in der Hand. „Ehrlich will ich bleiben“, „Loslassen“, „Entweder oder“, “Lied für euch“, „Mein Bruder Blues“, „Besinnung“, Wer, wenn nicht wir“ – jedes Lied war eine Trumpfkarte in diesem Singspiel. Wir durften wieder ganz große Augenblicke mit Oschek und seiner einzigartigen Stimme bei „Wie ein Fischlein unterm Eis“ erleben. „Wer die Rose ehrt“ war der emotionale Hammerschlag, der mich seit dem 23. Oktober 2008 immer wieder trifft. Ich lasse meine Gedanken bei diesem Lied wandern zu Cäsar, zu Claus Winter, aber auch zu anderen Musikern, die uns schon verlassen mussten. In diesen Minuten der Rose ehrt der Mensch Kundi gedanklich aber auch die verstorbenen Menschen aus seinem persönlichen Umfeld, die er im Herzen bewahrt und im realen Leben vermisst. So gänzlich unangenehm ist mir dieses schmerzliche Gefühlsbad der Erinnerung. Diese einsamen Momente, irgendwo etwas abseits der Meute, gehören für mich einfach zu jedem KARUSSELL-Konzert. Das kann man auch ruhig für bekloppt halten, muss man aber auch nicht.
Der unsichtbare Zeremonienstab des Ansagers/ Programmführers oder Erklärers wechselte zwischen Wolf, Oschek und Joe hin und her. Auch der Gesang wurde auf mehrere Schultern verteilt. Oschek und Joe wechselten sich als Frontsänger ab. Manche Lieder sangen sie aber auch gemeinsam. Bei den Refrains unterstützten Jan und Wolf. Herr Raschke senior war selbstverständlich auch für den Urschrei nach der Textzeile „und was zu sagen ist, will ich schrei’n“ des Songs „Doch wenn die Hähne kräh’n“ zuständig. Ich mag dieses Lied und auch die Sekunden, wenn Wolf energiegeladen ins Mikro röhrt irgendwie.
KARUSSELL ist eine Rockband, die zu den eigenen Wurzeln und zur eigenen Vergangenheit steht, dabei aber auch nicht Gegenwart und Zukunft vernachlässigt. Das kann man auch bei jedem Konzert hören. Warum sollte das in Zöschen auch anders gewesen sein? Die Band spielte natürlich viele alte Hits, aber auch Material, welches erst vor wenigen Jahren entstanden ist. Die Mischung macht es eben und sogar einige Lieder der Neuzeit sind mittlerweile schon auf dem Weg echte KARUSSELL-Klassiker zu werden.
Es hieße Eulen nach Leipzig oder Naunhof zu tragen, wenn ich hier einen Bericht abliefern würde, der noch mehr auf die Setlist, die einzelnen Beiträge der 6 Musiker zum Gelingen der Show und noch weiter in die Breite und Tiefe gehen würde.
Aber spektakulär wurde es dann nochmal im Zugabenteil. Da zeigten die KARUSSELL-Musiker noch mal ihr Reaktionsvermögen, ihren Mut und ihre musikalische Klasse. Der elektrische Strom für die Anlage war plötzlich weg und was machten Joe, Oschek, Wolf, Hans, Benno und Jan? Sie machten daraus sofort eine echte unplugged-Mugge. Herr Huth spielte Akustikgitarre beim „Gelben Mond“ und Kollege Jähnert gab den Takt bei „Lieb ein Mädchen vor. Der Satzgesang bei dem letztgenannten Song war schlicht und einfach wieder phänomenal. Das alles geschah ohne Netz und doppelten Boden. Was für ein toller Konzertabschluss, dachte ich bei mir.
Die zweite Arbeitsrunde der Musiker an der Autorammschreibetheke schaute ich mir nur kurz an und nach wenigen Minuten eilte ich zu meinem fahrbaren Koreaner aus dem Hause Kia. Auf uns wartete schon die Autobahn. Wenige Minuten später erreichten wir die nächste Auffahrt und mein braver Ceedrik galoppierte In heimatliche Richtung.
Gruß Kundi